
Der IUNU Mast ist ein hochentwickeltes Imaging-System für Gewächshäuser. Die generierten Bilder werden mittels KI in Echtzeit analysiert und das System trifft datenbasiert Vorhersagen zu Pflanzenwachstum, Erträgen, Arbeitsaufwand, Schädlingsbefall und mehr.
Pim van Adrichem, HortiTech, im Gespräch.
Pim van Adrichem ist Mitbegründer und Direktor von HortiTech, einem niederländischen Unternehmen, das sich auf Forschung, Weiterbildung und Beratung im modernen Gewächshausgartenbau spezialisiert hat. Das Unternehmen will die Lücke zwischen Theorie und Praxis schließen und zeichnet sich durch anwendungsorientierte Innovationen und effiziente Wissensvermittlung aus. In unserem Interview spricht Pim über die Rolle von Robotik und KI im Gartenbau.
Pim, mit welchen Herausforderungen sieht sich der Gartenbau aktuell konfrontiert?
An erster Stelle sind das in den Niederlanden die hohen Energiepreise sowie die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Arbeitskraft. Ein weiterer Punkt ist sicher die Weiterentwicklung grüner Methoden für den Pflanzenschutz, die seitens der Abnehmer immer stärker gefordert werden. Da ist noch viel Luft nach oben und es wird Zeit und Investitionen brauchen.
Wie kann der Einsatz von Robotik und/oder KI helfen, diese Herausforderungen zu meistern?
Robotik und Automation kann menschliche Arbeitskraft durchaus ersetzen, zum Beispiel beim Säen, Schneidern und Ernten. KI wiederum kann in vielen Arbeitsprozesse ab dem mittleren Management aufwärts sehr unterstützend sein. Dabei wird die KI das Management keinesfalls ersetzen, jedoch dessen Arbeit effizienter machen. Wer beispielsweise ohne KI zehn Hektar bewirtschaftet, kann mit KI in der gleichen Zeit 40 Hektar bewirtschaften. Das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil.
Wie wird Robotik im Gartenbau heute schon eingesetzt – und wie schätzen Sie die künftige Entwicklung ein?
Aktuell sehe ich eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage. Es gibt viele Anbieter von guten Robotik-Lösungen. Der Markt zeigt sich interessiert, kauft aber nicht. Viele Gartenbaubetriebe warten auf die zweite, noch effizientere und – so die Hoffnung – auch günstigere Roboter-Generation. Wenn jedoch alle so handeln, kann sich die Gartenbau-Robotik nicht weiterentwickeln.
Offenbar ist der Druck nicht groß genug. Viele in der Branche glauben, sie kommen auch ohne Roboter aus. Und das tun sie aktuell ja auch.
Ich persönlich sehe hier aber auch eine gesellschaftliche Relevanz. Wenn Roboter im Gartenbau Arbeitskräfte ersetzen, können diese Arbeitskräfte für anderer Aufgaben qualifiziert und eingesetzt werden. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Robotik-Lösungen bspw. durch eine staatliche Förderung erschwinglicher werden können und sich somit indirekt Probleme lösen ließen, die nicht direkt im Gartenbau liegen. Das ist schon alles sehr komplex. Ich denke aber, man sollte schon mal über den Tellerrand der Branche hinausschauen und das gesellschaftliche Gesamtbild betrachten. Das ist jedenfalls meine ganz persönliche Meinung.
Werden sich Robotik und KI im Gartenbau in der Breite durchsetzen? Was denken Sie?
Robotik wird derzeit nicht im großen Stil eingesetzt. Die Betriebe sehen oft keinen ausreichenden finanziellen Anreiz. Denn die Roboter arbeiten nicht besser als menschliche Arbeitskräfte und sind auch nicht günstiger. Dafür muss man sich umstellen auf deren 24-Stunden-Einsatz mit zunächst einmal mehr organisatorischem Aufwand.
Also müssten die Kosten für die Roboter sinken. Das kann nur gelingen, wenn es entweder eine Förderung gibt und beziehungsweise oder die Hersteller ihre Produktion verbessern – zum Beispiel durch mehr standardisierte Prozesse. Es gibt viele Robotik-Anbieter, was eine schöne Dynamik mit sich bringt. Doch jeder kocht sein eigenes Süppchen, entwickelt und produziert seinen eigenen Roboter-Arm. Das ist teuer. Gäbe es hier mehr Standards, sähe die Sache anders aus. Ich bin bei der Robotik skeptisch. Wenn sich in den nächsten zwei, drei Jahren nichts bewegt, stecken wir in einer Sackgasse fest.
Bei KI sieht es ganz anders aus. Es gibt bereits sehr gute KI-Lösungen, die direkt nutzbar sind und die bestehende Prozesse sofort effizienter machen. Auch herrscht hier insgesamt eine vernünftige Preispolitik. Die Investitionen in KI sind in der Regel überschaubar und amortisieren sich schnell.
Aber wir haben ein anderes Hemmnis, zumindest in den Niederlanden. Die erfolgreichen Gartenbau-Profis denken: „Die KI kann nicht besser sein als ich.“ Aber darum geht es nicht: KI ist nicht besser, aber sie macht dich besser. Das sehen wir bei Produzenten in den USA, die viel auf KI setzen. Und sich in Folge schneller und besser entwickeln.
Ich denke, es wird ein Schneeball-Effekt einsetzen. Wenn jemand erfolgreich ist mit KI, werden andere den gleichen Weg einschlagen. Der KI-Einsatz wird über kurz oder lang ein integrativer Bestandteil des modernen Gartenbaus sein.
Sie waren im Mai Referent auf der Internationalen Außendiensttagung der Gartenbau-Versicherung. Wie haben Sie das Event erlebt und wie kann die Gartenbau-Versicherung Innovationen im Gartenbau fördern?
Mein Vortrag wurde sehr interessiert aufgenommen und wir sind sehr intensiv in den fachlichen Austausch gegangen. Das war eine tolle Erfahrung für mich. Man spürt, dass Ihr Außendienst sehr vertraut ist mit dem Markt und weiß, welche Herausforderungen die Produzenten umtreiben.
Mit ihrer fachlichen Expertise kann die Gartenbau-Versicherung ein Impulsgeber sein, indem sie selbst offen ist für Innovationen, diese in der Produktentwicklung berücksichtigt und in den Beratungen bei den Mitgliedsbetrieben fachlich fundierte Aussagen dazu trifft. Auf diese Weise tragen Sie als Spezialversicherer des europäischen Gartenbaus nicht unerheblich dazu bei, dass Entwicklungen vorangehen. Sie haben die Augen und Ohren direkt am Markt, können informieren, unterstützen, auf Augenhöhe mit Ihren Versicherten sprechen. Das hat Gewicht.
Wenn Sie einem Gartenbaubetrieb einen Rat geben könnten – welcher wäre das?
Halten Sie die Augen offen. Informieren Sie sich über Innovationen im Gartenbau. Man muss nicht jeden Trend mitmachen, sollte sich aber darüber im Klaren sein, was am Markt läuft. Auf der Stelle zu treten, ist langfristig keine Lösung.